In Wirklichkeit ist Wahrheit nur die bessere Lüge

Viele Leute der Kunst glauben, Fantasie bedeutet Phantastisches, dem ist nur bedingt so, das wäre zu einfach gestrickt. Kunst ist Erzeugung von Sinn im öffentlichen Diskurs und wieder nur bedingt – eine neue Wirklichkeit. Es geht um Vorstellung, nicht Vision.
Vision und Phantastik haben dieselbe Wurzel, das Unerklärliche daran ist nicht zu erklären. Jedoch steckt es in jedem Werk, ob schlecht, ob gut, oder sehr gut. Was also macht ein gutes Werk aus?
Es ist wie ein abgeschossener Pfeil!
Zen und die Kunst des Bogenschießens – nein – und doch auch, die Gemütslage – letztlich egal, im Moment sein – auch egal. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist wohl grundlegend. Die Erklärung in unserem Kopf vermittelt, schafft den Rahmen, versucht sich am möglichen Ziel. Bei Kompatibilität kann der Funke überspringen, zünden, Emotionen vermitteln, Gedanken anstoßen.

An der Bedeutung lang gehangelt, treten die Deuter von Außen auf den Plan, Wahrheit aufzuzeigen, ihre Geschichten von Tod und Teufel zu erzählen. Kunst verkommt zum Haken, an dem Geschichten aufgehängt werden. Wie kommt man dem Eigentlichen im Werk näher?
Nicht anfassen – bewegen! Durm herum gehen, Eindrücke von verschiedenen Seiten aufnehmen, durch Nah- und Fernsicht Einsicht gewinnen (K H Greune), Beziehungen herstellen. Den abstrakten Kern gewahren, die Richtung erspüren, den Treffer imaginieren.
Auf der Strecke einer Hyperbel kann ich (Knoten)Punkte einfügen. Wie die kahlen dünnen Stäbe die Wege im Harz markieren, wenn alles tief zugeschneit ist, sind sie ob ihrer Länge doch zu erkennen, die Schneefräse kann den verdeckten Weg freilegen. Wo ich sonst abbiegen und Pause machen könnte, bin ich gezwungen, die vorgezeichnete Route zu nehmen, welche mich direkt von A nach B führt. Allerdings kann ich nach unten schauen. Es wird konkret – oder in den Himmel, da wird es luftig, größere Zwischenräume bieten sich, die interpoliert werden wollen, Metaphysisches zieht mit.
Egal, als Künstler kann ich keinen Zettel auf meine Arbeit kleben auf den steht ‚unter diesen Umständen anzuschauen‘, so kommen wir zur Zwangsläufigkeit. Es muss gerade soviel Reiz versinnbildlicht werden, dass man den Flug des Pfeils erfassen will. Die Bindung der Augen geschieht in Sekundenschnelle. Nur woher kommt der Verweis, dass die Aufmerksamkeit ausgerichtet wird? Es ist die Arbeit des Fahrers, der die Fräse bedient, der die zielführende Bahn frei gelegt hat.
Kunst ist schon eigenartig, denn nur wenn wir Teil der Auseinandersetzung werden, sozusagen in ihr sind (R Thiele), findet sie auch statt.
Heisenbergs Unschärfe?
Vielleicht.

Für das Geistige in der Kunst, ohne Kandinsky zu bemühen, geht es um anderes, weil die Wirklichkeit hinter den Dingen liegt – immer. Vermessen – ein paar Zentimeter – was ich Wagner zugestehe verweigere ich Kandinsky? – Ja!
Die Sicht von Kandinsky ist kleinbürgerlich. Kunst ist doch kein von der Gesellschaft losgelöster Prozess, wo Farbe und Form ‚an sich‘ existieren. Wenn doch, fängt hier die Lüge der Wirklichkeit an – und das ist nicht mein Geschäft.
Wir stehen auf den Schultern von Riesen (Cézanne, Van Gogh, Picasso, Mondrian, Beuys, Warhol, Polke, u. v. a. m.). Sie sind zum Inventar geworden, ihre Arbeiten zu Ikonen, haben das westliche, mein Sehen, Verstehen geprägt. Auch wenn Kunst von Kunst kommt, muss der Kern immer wieder neu geformt werden, Handschrift allein kann da nicht reichen. Das kann durchaus ein gebrauchter Aus- oder Abdruck der Klassik, der Romantik, der Moderne sein, um neue Wege zu finden. Das war immer so, ausdrücklich in der Postmoderne angelegt, dessen Kind ich bin.
Der Zusammenklang von Form und Inhalt, wobei der Inhalt aus sich heraus die adäquate Form gestaltet, während andererseits diese sich erst durch die Form bildende Gestalt (die laufende Aktualisierung von Möglichkeiten) erkennen lässt, scheint mir immer noch nicht ausgereizt. So bleibe ich dem Tafelbild verbunden, obwohl genau dieses (auf)gebrochen werden muss, als Fragment Versatzstück gesellschaftlicher Interpretation wird.
Ist das zu gedacht?
Die sinnliche Konfrontation lag mir nie, auch bei den Frauen nicht, die ich liebe. Aber lauert da nicht Betrug und Lug, nur um unsere Art zu erhalten? Die Lust übergeht diese Frage schnell, wird im Angesicht der Entgrenzung des Selbst obsolet.
Will ich die Welt formen kann ich die Fräse nehmen, oder einen Pinsel, es gibt kein Für oder Wider, nur der Begriff KUNST muss lesbar zu werden, das hat was mit Begreifen zu tun.
Denn alles definiert sich über den scheinbar unvermeintlichen Widerstand, wird zum Gegenstand (der es ganz natürlich ist) nun aber erklärtermaßen.
Darüber könnte begriffen werden, was eigentlich nicht zu begreifen ist.

In einem formalistischen Werk gelingt das nicht, dort entwickelt sich kein utopischer, noch haptische Transzendenz, vielleicht ein spekulativer Raum. Inhalt und Form sind deckungsgleich, haben keine Funktion außer ihrem Sosein. Auf der anderen Seite sollte der erste Strich nicht von der Idee allein geführt werden, das wird brüchig, porös. Der mit Absicht geworfene Zufall, zumal auch das reine Tun, oder die unüberlegte Tat, kann den Anfang, oder die Brücke zu einer guten Arbeit bilden. Und wenn ich sehe, dass alle Überlegung letztendlich nur Bestätigung eines unbedingten Wollens ist, dann etikettiere /adressiere ich meine Arbeiten nichtdestotrotz.

Die Sowjetunion der 50er /60er Jahre diskutierte offen /öffentlich über Sinn und Zweck der Kunst (je nach Tauwetterzustand). Ich fühle mich manchmal etwas verloren, da es solchen Diskurs, oder die Kraft dazu, heute kaum mehr gibt. Ich kannte ihn aus meiner K-Gruppen Zeit, leider war er dort weit entfernt vom Trotzki der 20er Jahre (Literatur und Revolution, 1923) – zu eng gefasst – wie auch die größeren Ideen zum gesellschaftlichen Wandel, dem die Kunst ‚dienen‘ sollte. Aber in den westlichen ‚Demokratien‘ (Volksherrschaft – pah) wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und die ‚freie‘ Kunst postuliert. Frei von was? Vom Klassenbegriff, vom Kapital – beidem? Alles Quatsch!
Die Würfel werfen (Gott sollte das ja eigentlich unterlassen), dass es eine 7 ergibt. Natürlich ist dies leichter mit 2 als 5 Würfeln. Was sind die Voraussetzungen eines guten Spiels – Berechnung, Selbstbetrug, der gesunde Menschenverstand, oder Ehrlichkeit? Manch gewählter Präsident verhält sich wie ein Kind, dem das Spielzeug abhanden gekommen ist. Ohne Herz noch Verstand, ein Spiel, bei dem neue Würfel gezinkt werden müssen, um auf annehmbare Margen zu kommen. Natürlich will man die Lokalrunde nicht bezahlen, obwohl das Bier schmeckt, nicht verantwortlich sein, wenn’s nach hinten losgeht. Diese Freude des Gewinnens, oder auch die der Vorteilnahme, habe ich nie recht verstanden. Gehört, besser gelesen, oder gesehen werden möchte ich (das Personalpronomen als Stellvertretung meiner Entäußerungen) schon. Ist das Eitel? Wohl ja.

Urteile über ein KunstWerk formulieren sich keinesfalls durch das bloße Sehen, Decken, sondern auch durch Verletzungen im Zusammenhang mit dem Betrieb, denen man als Produzent zwangsläufig unterliegt. Nicht, dass ich davon frei wäre – weit entfernt, nur weiß ich um die Mitsprache des kleinen Ungeheuers. Es wird nicht leichter, immer mehr ziehe ich mich zurück, um nicht den Unsäglichkeiten der Selbstüberschätzung – auch meiner – sprachlos gegenüber zu stehen. Das Selbst als Maß der Dinge muss relativiert werden, um in einen sinnvollen Diskurs zu treten, sonst will man sich nur behaupten (schönes Wort).
Das wiederum hat nichts mit einem Statement zu tun, welches im Raum steht – und vergegenständlicht zur Reibung auffordert; Repräsentanz des Widerstands, meinem Grund- und Großbaustein der Kunst. Danke Joseph. Und ich kenne nur einen zeitgenössischen Maler, der dies auf zweidimensionaler Fläche geschafft hat: Danke Karl Heinrich.
Aber eine weite Idee im Bild sollte nicht als Miniatur daherkommen. Das nimmt den Schneid. Vielleicht wird der Inhalt sogar verraten, wenn er in Mengen zu haben ist, kehrt sich um, wird zur Devotionalie. Die durchaus angelegte Sprengkraft des Objekts löst sich im Konglomerat mehrerer Statements auf. Was haben wir davon, was nehmen wir wahr? Der selektive Blick hilft, die Hängung zu übersteigen, implizierte Arbeit für den Betrachter?
Die Absicht sollte eine andere sein.

:was bleibt (Titel einer Ausstellung von R Barharn und mir, 1996), ist die notwendige Behauptung des Individuums vor dem Ganzen (vor Gott?), mit der Sehnsucht zur Einheit, welches Subjekt und Objekt – das Leiden – den Widerspruch – überwindet, in dem Wissen, dass diese Dualität die Einheit überhaupt erst denken /erkennen läßt! Machen wir uns nichts vor, wäre diese Einheit erreicht, entschwänden wir dieser Welt wie wir sie kennen. Jesus wußte dies und schaute 3 Tage nach der Grablegung noch eimal vorbei. Auferstehung als Beweis von Wahrheit; ab hier wurde Wirklich, was nur geglaubt werden sollte. Und schwups, sehen wir den selbstreferentiellen Gehalt ins Unermessliche skaliert. Vielleicht liegt da meine Abneigung des Bildes, das sich Selbst genügt, immer sollte es den (eigenen) ‚Rahmen‘ sprengen, sich in Frage stellen, nicht im Strom der Zeit schwimmen, nicht als Selbstzweck gegen die Kante gebügelt sein, sondern die (uneinlösbare) Kunst der Zukunft definieren.
Jaup (at least) – es ist der kleine Schuss Ideologie (der eingeflochtenen Utopie), der ein wirklich gutes Werk ausmacht.