utopisch

… und dann ist da die Angst, nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu sein.
Wenn die Computer anfangen zu denken (was letztlich nur eine Frage der Zeit ist), komme ich mir vor wie ein Idiot, der ein paar html-Zeilen schreiben kann. Das Gute an der industriellen Revolution war ihre Nachvollziehbarkeit, Kraft wurde übertragen –
selbst eine Lokomotive könnte ich noch verstehen. Dergleichen hört auf bei dem uns umgebenden
World Wide Web. Eingefangen zappeln wir im Netz der Google-Fischer, ein Gewebe aus Algorithmen, das ich erahnen, bei weitem nicht verstehen, oder nachbauen kann.
Wenn Big Data unser Verhalten von Morgen erklärt, so ist Big Brother, Staat gewordene Institution, die andere Seite einer Medaille derselben Währung. Google ist es möglich zu wissen – allein durch die Suchanfragen – wann die nächste Grippewelle regional ausbrechen wird. Dass dann die Aktien bestimmter Pharmakonzerne steigen, liegt auf der Hand. Letztlich könnte man darauf wetten, ob die errechnete Wahrscheinlichkeit eintrifft. Der heutige staatliche Rahmen ist ein Relikt, gehört noch ins industrielle (moderne) Zeitalter, ufert an den Rändern aus, das Sozialgefüge wird untergraben.
Wir leben in einer postutopischen Welt, die größer geworden ist, die Welt umspannt. Die Utopie einer neuen Gesellschaft wird kommen müssen – allein, um die Auswüchse wieder einzufangen. Das ist ein notwendiger regenerativer Prozess, wie bei der letzten Jahrhundertwende, als die industrielle Revolution ihre Kinder fraß und ins Elend stürzte. Leider wird das wieder nicht locker über die Bühne gehen, fast zwei Weltkriege waren nötig, um die Vorstellungen der Moderne, als Sozialgefüge wirklich werden zu lassen.
Die Kunst quält sich noch damit, als Surrogat der Erneuerung. Es wird an die großen Umwälzungen erinnert, aber das ist keinen Millimeter vorwärts. Neue Strukturen entwickeln sich immer aus den alten, werden überlagert vom ‚Common Sense‘ – der Sichtbremse – die täglich durch alle Medien rollt, die gleichen Medien, die vorzüglich auf das dahinter Liegende verweisen, denn zu verheimlichen ist nicht, dass diese Welt aus ihrem Gefüge bricht, brechen muss, da die neue schiebt und drückt – geben wir ihr Gestalt.