Auf einen schmalen malerischen Grad gestellt, wird jedes Menschenbild, jeder Gegenstand, existenzialistisch, jedoch wird eine gemalte Erzählung (z. B. Das Floß der Medusa) noch lange nicht existenziell, es wird geschildert, erklärt, bewiesen. Das Bild geriert zum Drama, aufgeführt im Moment der Reflektion. Dagegen erzeugt das malerische Schlachtfest eines de Koonings (Woman 1–) neue Wirklichkeit, erregt neues Sehen, bei dem der Gegenstand Anlass wird, der die Sicht auf das Material lenkt, das Abbild in neuem Licht erscheinen zu lassen. Das ist Wahrheit in der Malerei.
Entfernt sich dieser Dialog, entsteht Leere, die sich nur noch auf sich selbst beziehen kann: keine Oszillation zwischen Setzung und Abbild, kein Netz der Bezüglichkeit mit dem Außen, kein Strich des unbedingten Willens zur Korrespondenz über die Leinwand hinaus.
… unsere Sicht auf die Welt ist eine interpretatorische. Wir wissen, dass da was ist, wissen aber nicht, was es ist. Wir können mit unseren Annahmen jonglieren und kommen innerhalb unserer Grenzen auch zu zählbaren Ergebnissen. Jede Aktion zeigt Wirkung, die wir als Zusammenhänge unserer engen Bandbreite erleben, die uns Erfahrungen auf der Oberfläche des angenommenen System machen lassen, die wiederum nutzbar sind: Eine Spirale des Wirkzusammenhangs und der Grund, warum wir neugierig um die nächste Ecke schauen. Die Qual der Entwicklung, die Vertreibung aus dem Paradies, das sich Aussetzen im evolutionären Ranking.
… unser gesamtes Handeln, das technisch Machbare, folgt (auch unbewusst) dem Seienden: Auge = Linse, Blutbahnen = Verkehrsadern und Leiterplatten, Vorratshaltung = Cache usw. Wir stellen fest, das Alles mit Allem zusammenhängt, Ideen nur Auslegungen von Annahmen sind. Sind WIR zwangsläufig, wird die KI zwangsläufig, oder ist alles ein Spiel von Energie, die nur den innenwohnenden Geist zum Abbild werden lässt?
Geist ist nicht Gott, der ist eine der großen Erzählungen, die Menschen zu beruhigen, wenn die Fragen weiter gehen, als die Antworten ihrer Zeit reichen. Nur Erkenntnis schafft den Raum, sich seiner selbst bewusst zu werden. Im Anfang (gute 200.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung) war das Wort. Heute nach 12.000 Jahren Sesshaftigkeit und Formung, sehen wir uns gespiegelt, artifiziell ist selbst der mitteleuropäische Wald, in dem wir spazieren gehen. Diese uns umgebende Blase menschlichen Tuns ist der eigentliche Grund unserer Depression; nur noch scheinbar gelingt es, zu regenerieren, zu eng haben wir uns eingekreist, die Wahrnehmung des Unfassbaren ist auf ein Minimum geschrumpft. Ersatz bieten virtuelle Felder des Grauens, bei denen gestorben und getötet wird, ohne je eine Verantwortung übernehmen zu müssen; selbst der Traum wird seiner Wirkung enthoben.
Aus dem Chaos haben wir die Welt geordnet. Diese Ordnung ist – Kraft des Geistes, den wir nur geliehen haben – das Licht, einige Stellen im Dunkel zu erhellen. Nach dem Tod entgleitet uns diese Kraft und fließt in den großen Pool zurück. So lebt der Mensch nicht um glücklich zu sein – er lebt, um sich in seiner (selbstreferenziellen) Ordnung zu entwickeln, er bemüht sich Übersicht zu gewinnen, den ‚großen Plan‘ zu verstehen und solange er denkt, eine Zukunft zu haben.
Wie lange ist es 24 Uhr?,
und ist es zu spät, wenn wir den Tod besiegen?
Wir sind, wir sind nicht, sind wir darum viele?
Es ist und ist nicht – immer zugleich,
Multiversien verstehe ich eher als Backup – nur der jeweilige Unterschied wird gespeichert.
Letztlich kommt es auf nichts an, außer das es genau darauf ankommt.
Verschiedene Sichtweisen einnehmen, sich bewegen, aktiv werden. Kunst sollte wieder Teil eines breiten gesellschaftlichen Lebens werden, so einfach ist man bei Beuys, in dessen Werk diese Elemente sicher verarbeitet worden sind, oder Van Gogh, dessen Werk existentiell und strukturell im Einklang liegt. Was bei Adolphe Monticelli aufbricht und bei de Kooning seinen gegenwärtigen Halt fand, ist bei Van Gogh die Quadratur des Kreises (ich habe lange gebraucht, es zu verstehen).