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alles andere

Durch die Stadt treiben Gedanken, ich vorne weg, bleibe stehen, bevölkere die Plaza de Rosalia. „Schau’ sie nicht länger an.“
Mit jedem Schritt Erde greifen, dem Wiegen lauschen, dem unendlichen Rauschen, die Sterne zählen. Spiegelung des Selbst in jedem Blick.
Wieder zuhaus,
Heitor Villa-Lobos’ Sentiment, Weite. Mit großer Bewegung wird auf das ‚dahinter‘ verwiesen, das ‚alles meins‘ in der Geste, nichts davon besitzen zu müssen.
Dinge definieren sich durch ihren Schein, ihrem ‚als ob‘. Nichts ist wahr und alles wahrhaftig, weil es nichts als die Lüge zu erzählen gibt. Materielle Spiritualität, ohne Demut, spielt diese Musik – laut – es gibt Tage voller Melancholie, da höre ich sie richtig gern.

utopisch

… und dann ist da die Angst, nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu sein.
Wenn die Computer anfangen zu denken (was letztlich nur eine Frage der Zeit ist), komme ich mir vor wie ein Idiot, der ein paar html-Zeilen schreiben kann. Das Gute an der industriellen Revolution war ihre Nachvollziehbarkeit, Kraft wurde übertragen –
selbst eine Lokomotive könnte ich noch verstehen. Dergleichen hört auf bei dem uns umgebenden
World Wide Web. Eingefangen zappeln wir im Netz der Google-Fischer, ein Gewebe aus Algorithmen, das ich erahnen, bei weitem nicht verstehen, oder nachbauen kann.
Wenn Big Data unser Verhalten von Morgen erklärt, so ist Big Brother, Staat gewordene Institution, die andere Seite einer Medaille derselben Währung. Google ist es möglich zu wissen – allein durch die Suchanfragen – wann die nächste Grippewelle regional ausbrechen wird. Dass dann die Aktien bestimmter Pharmakonzerne steigen, liegt auf der Hand. Letztlich könnte man darauf wetten, ob die errechnete Wahrscheinlichkeit eintrifft. Der heutige staatliche Rahmen ist ein Relikt, gehört noch ins industrielle (moderne) Zeitalter, ufert an den Rändern aus, das Sozialgefüge wird untergraben.
Wir leben in einer postutopischen Welt, die größer geworden ist, die Welt umspannt. Die Utopie einer neuen Gesellschaft wird kommen müssen – allein, um die Auswüchse wieder einzufangen. Das ist ein notwendiger regenerativer Prozess, wie bei der letzten Jahrhundertwende, als die industrielle Revolution ihre Kinder fraß und ins Elend stürzte. Leider wird das wieder nicht locker über die Bühne gehen, fast zwei Weltkriege waren nötig, um die Vorstellungen der Moderne, als Sozialgefüge wirklich werden zu lassen.
Die Kunst quält sich noch damit, als Surrogat der Erneuerung. Es wird an die großen Umwälzungen erinnert, aber das ist keinen Millimeter vorwärts. Neue Strukturen entwickeln sich immer aus den alten, werden überlagert vom ‚Common Sense‘ – der Sichtbremse – die täglich durch alle Medien rollt, die gleichen Medien, die vorzüglich auf das dahinter Liegende verweisen, denn zu verheimlichen ist nicht, dass diese Welt aus ihrem Gefüge bricht, brechen muss, da die neue schiebt und drückt – geben wir ihr Gestalt.

sinnlos

… keine Erinnerung an das, was dort zu sehen ist, wozu soll es gut sein – wie gebrauche ich es. Eigentlich gar nicht schlecht, die ganze Lehre vom Loslassen findet scheinbar ihre Realität. Aber nicht verstehen scheint nicht zu reichen, das im Kopf Geformte soll nicht seinem Zweck enthoben, sondern transzendiert sein. Damit wird Sinnbestimmung einem neuen Feld zugeführt: Es ist und ist nicht zugleich. Wir werden den Zusammenhang von Abbild und Nutzen im Gehirn kaum entkoppeln können, ohne durch die Gebrauchsanweisung hindurch zu sehen. Im dementen Hirn entschwindet der Sinn, ohne Platz zu schaffen. Das Bewusstsein, das bewusste Sein, leert sich nicht, sondern füllt sich mit Fragen. Leere ist aber nur erträglich durch Erfahrung der entgrenzten Existenz, wobei das Wort nur die vage Grenze darstellt, spezifischen Raum zu bestimmen.
Fragt sich jemand beim Heben des Fusses, welcher Muskel zuerst angespannt werden soll, dem wird das Hirn implodieren, es bleibt Leere ohne Sinn.

Akzeptanz

Ich habe an die Ordnung geglaubt, bin dort hineingeboren (1954) und darin aufgewachsen. Man sollte annehmen, dass im 2. Weltkrieg – mit der größten Unmenschlichkeit, die je stattgefunden hat – ein System jede Menge an Blut gelassen hat, die es gereinigt wieder auferstehen lässt. Weit gefehlt, Adam und Eva sind dem Paradies verwiesen worden, Kain hat seinen Bruder erschlagen und wird, sooft sich Geschichte wiederholt, es immer wieder tun. Friede auf Erden nur für Sekunden.

Trauer überlagert den Gedanken. Wohin der Blick sich auch wendet, feiert die Ungerechtigkeit ihren Triumph; als würde nur der Mensch, der sich mit ganzem Wille bereichern will, noch eine Chance haben. Das stärkere Prinzip gewinnt, die soziale Grundlage ist verloren.

Die Selbstreflektion als Künstler hat nun ein Ende dergestalt, dass sich die Leitdiskussion still verschiebt. Galt noch vor ein paar Jahren die bildende Kunst als das Maß der Dinge, mit ihrem Anhang an Philosophen, Kunsthochschulen, Museen und Galerien, hat dies leise gewechselt.
Texte werden von mehren Leuten an verschiedenen Plätzen zur gleichen Zeit geschrieben, Wikipedia wächst zum größten Lexikon, Google wird zum Synonym der Onlinesuche. Jeder kann teilnehmen, auch wenn die unmittelbare Verständigung leidet. Arbeiten im Netzwerk mit Freunden und Kollegen, Treffen im Chat, Diskussionen, Austausch von Erfahrungen, alles möglich Dank dem Netz, das unsere Häuser und Straßen durchzieht, eine gesellschaftliche Umwälzung; Verbunden im wahren Sinne des Wortes, eine Vernetzung über alte Grenzen hinaus.
Medienmacht ausgehend vom Buchdruck (Bibel), wird zum Fischernetz, vom Staat bis zum Hacker, die Maschen sind so dünn geworden, das die Freiheit des Einzelnen darin hängen bleibt.

Dabei ist die Kunst ist zum Schoßhund verkommen, der gut gefüttert und allmählich etwas fett geworden ist, die Zähne lange verloren, gibt es nur noch Weiches zu fressen. Aber ab und zu ein Stück Schokolade ist wirklich nicht schlecht. Zu wenig Bewegung wird ihn früher sterben lassen, damit kann man leben.
Die Vorstellung, dass Heisenberg(1) Van Gogh zeitlich näher steht als mir, läßt mich dann doch Erschrecken, was haben wir gelernt, was haben wir erreicht? Humanismus ist ein großes Wort, in unserer Zeit missbraucht, sinnstiftend war es wohl noch nie.

‚I woke up this morning and a rainbow fits the sky‘ Jack Johnson

1) 1927 unterbreitete Werner Heisenberg seine Unschärferelation, die erstaunlichste Transformation von Weltsicht, die die neue Physik hervorgebracht hat. Sie ist bestimmt von der Erkenntnis, dass das Bewusstsein im sogenannten physikalischen Universum eine entscheidende Rolle spielt. Vereinfacht stellte Heisenberg die These auf, dass der Beobachter das zu beobachtende Objekt verändert, und zwar durch den reinen Akt der Beobachtung. Die Vorstellung von der Welt „da draußen“ als ein von uns getrennter Teil, musste aufgegeben werden.

der Frosch

… aus vollem Lauf anhalten, gerade, es war getrennt von mir. Ich spüre das Bedürfnis mich zu fixieren, festzunageln, auf einen Punkt, von dem Entfernung wieder als feste Größe wahrgenommen werden kann, verschenke das Jetzt, hole die Kamera und schieße ein Bild: Interesselose Kreativität, gegen das Laute, sich überschlagende Sein. Keine Chance, immer gewinnt das Neue, die Wandlung, sei sie noch so klein. Ich zahle den Preis, diesen Weg zu garantieren, immer wiederkehrend Dreh- und Angelpunkt des Menschlichen, Ausdruck der Befreiung vom Prozess der Reproduktion – das gleich­zeitige Denken von Unterhalt zerstört die Form.
Stellvertretend, als Modell, nehme ich den Betrieb zum Anlass, kann jetzt über ein Thema referieren, das außerhalb seiner Grenzen an Gewicht verliert.
Grün kann in verschiedenen Variationen (Olivgrün, Chromoxidgrün, Gelbgrün, Grün gemischt mit Ocker, mit Blau) aufgetragen werden – ergibt das einen Wald? Daten kann man klonen – male ich dann? Was rechne ich, wenn ich schreibe?
Heute verstehe ich, warum sich mein Lehrer zum idealistischen Weltbild bekannte.

Wir kommen in den Raum zurück. Es ist immer wieder ein Erfolg meines Hirns, wenn die angenommene Form der Wirklichkeit entspricht. Dies ist der Fall vor dem Sturm, der den Regen bringt. Nass – eine Nässe, die in den letzten Winkel kriecht, Feuchtigkeit, Leben. Wo ist er, der leise spricht: ›Essen Sie mir nicht alles weg‹. Nichts bleibt, außer einer abgekochten Welt. Undurchdringlicher Nebel zieht über das Feld.

der sprachlose Raum

Es ist der 26. Juni 1994, ich blättere in meinem Atlas, mache Reisen in ferne Länder, bin Herr über Zeit und Raum. Ich denke an die letzten Ureinwohner Papua-Neuguineas, die sicher erstaunt sein würden, plötzlich und unvermittelt, in einer europäischen Großstadt aufzutauchen. Wahrlich unaussprechlich muss es ihnen vorkommen, mit Dingen umzugehen, die sie nie zuvor gesehen haben. Es würde sie mit Gewalt treffen, genau wie es mich trifft, wenn ich auf eine Situation stoße, auf die ich nicht vorbereitet bin. Es ist ein Gefühl des ‚Geworfenseins‘, gleich einem Flugzeugabsturz, ich könnte vielleicht den Piloten kritisieren, aber nicht die Welt, in der ich gerade gelandet bin. Es ist eine neue Bedingung und als solche höchst undemokratisch. Das Fremde ist das Neue und muss, dem Begriff treu, einen Schritt von der alltäglichen Erfahrung gelegen sein. Dieser erst mal sprachlose Raum ist genau der Abstand, den ein unmittelbares Erleben zur Entfaltung braucht.
Mit der zunehmenden Erfahrung und Einsicht des Menschen schwand der sprachlose Raum immer mehr, bis fast nichts übrig blieb. Die anfängliche Beschreibung wurde zur Ansicht, die sich mit der Zeit erhärtet hat.
Der Verstand ist nicht gut oder böse, er lässt das Chaos organisieren, Erfahrung verifizieren, Utopien entwerfen und Häuser bauen. Es ist das Wesen unserer Art, den Lauf der Dinge nach unserem Willen zu gestalten und durchaus erfüllt es uns mit Stolz, die Apokalypse selbst herbeiführen zu können. Gott ist überwunden als allmächtiger Vater, der uns strafen kann. Wir sind es, die sich die Freiheit nehmen zu gehen, wenn uns danach ist. Wir bestimmen selbst, sind verantwortlich geworden.
Ein Ausbruch aus diesem System, wie notwendig er auch erscheint, kann kein Ausbruch sein, man würde das System nicht verlassen, nur bestätigen. Es geht mir um das leise Schließen einer Tür, die gerade auf dem Weg liegt. Irgendeine Tat, die diese Welt für einen Augenblick anhält, kann es möglich machen, eine dieser Türen hinter sich zu lassen: Meine Mitgliedschaft, meine Zugehörigkeit wird zur Disposition gestellt, das Individuelle tritt hervor. Mein ausdrückliches Sein, meine ausdrückliche Entäußerung spiegelt den Verlust der Ganzheit. Es ist die latente Erinnerung, die meine Sehnsucht bestimmt, nach dem zu suchen, was immer noch in mir lebt und wirkt, dem Einen, dem Einzigen, als Zeit und Raum noch nicht geboren waren. Ich schaue in die Dunkelheit und habe begriffen, dass sich die Ideen nur auf einer kleinen, instabilen Insel befinden, die durch meinen Verstand in Waage gehalten wird. Das Schöne und das Hässliche liegen dort, wie jeder Begriff.
Es ist die Frage nach der Erscheinungsform, die Frage der Wahrnehmung und eine Frage des Standpunkts. Um aber eine Antwort geben zu können, muss ich wissen, dass diese Fragen nur beantwortbar sind, solange sie sich auf ein System beziehen, das sich in der Fragestellung selber meint.
So weiß ich nicht, was Kunst ist, doch weiß ich um die Art, wie sie zur Darstellung gelangt.