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alles andere

Stadt will Ordnung*

Gestern hat mich ein junger Polizist, nach einem Sprint quer durch das halbe Viertel, vor meiner Haustür, gestellt. Ich habe bei Reve nichts gestolen, noch einen Passanten umgefahren. Ich bin mit dem Fahrrad bei Rot über die Straße! Zuerst schaue ich nach links, dann nach rechts, kein Fahrzeug bis zum Göttinger Kreisel, kein Fahrzeug bis zur Überführung – und – keine Kinder in der Nähe.
Mit flottem Tritt nach Haus, vor meiner Eingangstür erreicht mich schnaufend ein junger Polizist: Ich möge mein Rad abschließen (ich sage: hier wird nicht geklaut!) und zeigt in Richtung seiner Kollegin, mitkommen. Er fragt, ob ich weiß, warum ich angehalten wurde – ich verneine. Die rote Ampel, auha! Nicht, dass ich denke, es ist Unsinn, aber sage, ob sie denn nichts besseres zu tun hätten, inzwischen war die Kollegin mit dem Wagen eingetroffen.
Erfolgreiche Jagd, den Sünder gestellt, Hut ab. Wegen meiner Bemerkung wird aus einer Verwarnung ein Bußgeldbescheid von 88,50 €.

Das Problem sind nicht diese jungen Polizisten, sondern ihre Einschätzung der Verhältnismäßigkeit und wie daraus eine ‚Den-Schnappen-Wir-Uns‘ Aktion wird.
Es ist mein Viertel, ich bezahle deren Jobs (die oft schwer genug sind), mein Gott, sollen sie mich doch verwarnen, stünden sie neben mir, aber ein Sprint durch das halbe Viertel (mit dem Wagen durch die engen Straßen), wollte er seiner Kollegin imponieren? Das Üble daran, dass sich über solche Maßnahmen die Notwendigkeit der Anwesenheit von Polizei relativiert. Augenmaß.
Dieser Strafzettel wird kein Problem, ich habe schon für anderes bezahlt, auch zu recht, aber hier fühlt man sich gegängelt, was die Spaltung in der Gesellschaft nur noch weiter voran treibt. Diese Polizisten machen sich zum Wärter der Ordnung, wo sie nur die Hüter sein sollten.

* Überschrift aus dem Wochenblatt der HAZ vom 23.10.2019 in Hannover

Verlust zeichnet mein Gesicht.
Tränen und Trauer sind meine nicht angenommene Schuld,
Tränen und Trauer sind die unwiederbringlichen Momente des Gleichklangs und Glücks.
Wie soll es sein, wenn mir die Hälfte fehlt.
Mit dem Spiegel der Endlichkeit vor Augen verglüht die Freiheit im Glauben, im Glauben Müssen an die Unausweichlichkeit.
Der Trost Jesu steht mir nur schwer zu Gebot – und doch weiß ich um ihn – manchmal ist das mehr, als man denkt.

Schleifenbahnen

Die Sicht der theoretischen Physiker ist immer im Wandel. Nach dem geozentrischen Weltbild folgte das heliozentrische, mit der Sonne im Mittelpunkt.
Natürlich erkennen wir längst den Modellcharakter dieser Annahmen, denn in unserer – um ein schwarzes Loch rotierenden – Galaxie, liegen wir recht weit außen. Da das Universum wohl keinen Rand, noch einen Mittelpunkt besitzt, ist jede Annahme möglich. Messungen in alle Richtungen ergeben das gleiche Alter von ca. 13,8 Milliarden Jahren.

Die Logik der Quantenphysik hat möglicherweise eine Zwangsvorstellung hervorgebracht, die wieder an das alte Weltbild, mit der Erde als Mittelpunk, erinnert: Des Menschen Gedanken, um den sich alles dreht. Mit jeder Entscheidung, für oder gegen, sollen neue Universen entstehen, weil jede Möglichkeit eben auch die andere zulässt.

Was war, bevor wir uns diese Frage stellen konnten? Über Milliarden Jahre ein kleines mickeriges Universum im Quantenschaum, das nur darauf wartete, endlich durch den Menschen in Widerspruch gebracht zu werden, um sich dann mit Aberbillionen Möglichkeiten von Universen zu füllen. Das ist ideozentrisch. Wieder nur eine kleine Welt, in der aus Schleifenbahnen Kreise werden, damit das Ganze passt.

Hmm,
aber wenn doch,
scheint mir ein Backup plausibler: Es wird nicht jeweils eine gesamte Festplatte geschrieben, sondern nur die neuen und aktualisierten Daten den alten Koordinaten zugeordnet. Eine Backup-Festplatte, die über Jahre den Prozess neuer Entscheidungen an Daten sichert, braucht nicht viel größer zu sein, als die des Arbeitsbereichs mit Betriebssystem. Es hätte nicht die Möglichkeit der Weiterentwicklung einer alternativen Welt, jedoch die Entscheidung, für und gegen, wäre konserviert, ohne das wir anfangen, Multiversen stapeln zu müssen.

Horizont

Wenn Sein Zeit ist, ist es in die Physik entlassen
Das Relativitätsprinzip (spezielle Relativitätstheorie,
1905) von Einstein besagt, dass es keinen absoluten Raum und keine absolute Zeit gibt. Mein Mathematik-Lehrer erkläre es mir 1978 so: Wenn ich mit der Kreide auf der Tafel einen geraden Strich am Lineal ziehe, ist es von einem interplanetaren Standpunkt betrachtet eine Kurve, denn während der Zeit des Zeichnens dreht sich die Erde weiter, was die Schreib-Punkte aneinandergereiht gekrümmt erscheinen lässt. Der qualitativ höhere Blickwinkel (von außerhalb des alten Verständnis-Systems) gibt die 3. Dimension unseres 2-dimensionalen Vorgangs.
Unser Wahrnehmungsraum ist ein Pendeln, wie bei den Elektronen (negativ geladene Elementarteilchen und Schale des Atoms). Welle und Teilchen zugleich, können sie in ihrer Dualität nicht an einem Ort bestimmt werden. Je nach Art der Messung, die man an ihnen durchführt, wird entweder ihre Wellen- oder nur ihre Teilcheneigenschaft in Erscheinung treten, nie aber beides gleichzeitig.
Aber gehen wir näher heran – noch näher, und es scheint, dass jenseits der kleinsten, von uns im Augenblick vorstellbaren zeitlichen Ebene, das Kontinuum seine Eigenschaften verliert. Die bekannten physikalischen Gesetze jenseits der Planck-Zeit1 versagen: Jede Ausdehnung im Raum würde zu einem Schwarzen Loch kollabieren.
Wenn Zeit Sein ist, ist sie in die Ontologie entlassen
Durch den Menschen nimmt das Sein sich selber wahr und es wird sich nur bedingt auf den Grund gehen können. Wir müssten uns außerhalb stellen, wie beim Betriebssystem eines Computers, welches nur über einen externen Datenträger repariert werden kann. Es wird nicht gelingen, den aktiven Kernel mit Bordmitteln auszuhebeln. Zur schnelleren Darstellung von Daten ist in jedem Computer eine Parallelwelt implementiert, der Cache: Es wird ausgelagert, was das Zeug hält, um schnelleren Zugriff (simpel: Was öfters gebraucht wird, liegt ganz oben) zu gewährleisten und um den Kernel zu entlasten.
Eine wunderbare Erfindung!
Letztlich haben wir nur transzendiertes Zeug der uns umgebenden, alles durchdringenden, tieferen Wirklichkeit hervorgebracht, wir sehen es meist erst hinterher. Wir bauen keine Autobahnen, weil unsere Blutbahnen brausen und den Wegen und Straßen etc. ähneln. Ein Abbild des Lebens, das uns fragen lässt, ob auch wir ausgelagert sind, ist unser Weltbild doch nur der Schatten an der Wand?
Klar ist, dass wir mit den Computern der neuen Generation die Höhle bauen, in der das Lichterspiel schon stattfindet, allein der Betrachter fehlt noch – wir haben Millionen von Jahren gebraucht!

Unser Horizont kann nicht überschritten werden, außer, dass sich das Leben zu einer Qualität entwickelt, auf der Erkenntnisse einer höheren Dimension möglich würden. Trotzdem verstehen wir immer mehr im Rahmen des menschlich Darstellbaren. Als Teil der Natur vermessen wir das Universum nach unserem Maß, ein Universum als Spiegel unseres Selbst. Wir ruscheln uns die Grundlagen zurecht und fanden gerade den Klebstoff der möglicherweise alles zusammenhält: Dunkle Materie und die Dunkle Energie2. Nun stimmt die Rechnung wieder.

1) Die Planck-Zeit beträgt rund 5 mal 10-44 Sekunden und ist die Zeit, die Licht benötigt, um die Strecke einer Planck-Länge zurückzulegen.
Eine der Theorien zur Quantengravitation beschreibt das Gefüge der Raumzeit als 4-dimensionalen Schaum, wobei man sich ein Bläschen – das mindestens die Größe einer Plankzeit hat – nicht eingebettet in Zeit und Raum vorstellen darf, sondern der Schaum selbst wäre das Zeit-Raum-
Kontinum.

2) Es wird angenommen, dass die Dunkle Materie für die Gravitation und die Dunkle Energie für die Expansion des Universums zuständig ist; aber wirklich wissen wir nur, dass da was sein muss.

googles Traum, oder die Ökonomie des Lebens

Letztlich wissen wir nicht mehr, als das da etwas ist, alles andere, jede Benennung ist Interpretation, die sich immer wieder neu beweisen muss. Harte Wissenschaften sind einfacher zu beurteilen, ein Flug zum Mond verifiziert die Möglichkeiten, wobei die Philosophie im Dunklen tappt und nur selten reale Anwendung erfährt. Philosophie ist eher Deutung, oder verändert sie tatsächlich?, es sind wohl die Bedingungen die den Wandel erzwingen! In der Logik der Ökonomie geht es immer um Neu-Gruppierung – zum Vorteil seines Organisators.
Der alltägliche Gebrauch erklärt eine Prozellanwandung mit Boden zu einer Tasse. Das Ding braucht den Begriff, der die gesamte Wolke des unausgesprochenen Möglichen zum eigentlichen Nutzen führt. Den Durst löschten wir zuerst mit zwei Händen zu einer Hohlform angeordnet, tauchten sie ins Wasser und konnten so Wasser über Distanz zu uns nehmen. Tiere müssen ihren Kopf auf Höhe des Wasserspiegels bringen, um sich mit der Zuge / Schnabel das Wasser zuzuführen. Welch ein Vorteil des aufrechten Gangs, Wasser auch nur mit einer Hand aufnehmen zu können. Abwehrbereit die Waffe in der anderen, die Savanne beobachtend.
Die Ökonomie des Lebens fördert und führt an die Grenzen, weil sich in ihr nur die Erhaltung der Art reflektiert und auf Bedingungen reagiert (die sie nun selbst erzeugt), war der Entwicklungshelfer über Jahrtausende. In 200 Jahren haben wir exponentiell die Ressourcen verbraucht, dass die alten Modelle nicht mehr greifen (der Garten ist geleert, der erste und letzte Apfel muss es bringen). Je mehr wir verbrauchen, desto schneller müssen sich heute Ideen entwickeln, um dem Leben neue Möglichkeiten / Impulse zu öffnen. Modelle müssen sich beweisen. Die Antwort auf die Frage, was unsere Art denn sei, ist schwerer als gedacht, der Verdacht liegt nahe, dass ein Nachdenken über Staat, Ethnie, Dorf, oder Religion nicht greifen wird.
Langsam (aber immer schneller) entwickelt sich ein Meta-System, das noch abgehoben vom normalen Leben, zu Geist gekommen ist. Selbstfahrende Systeme sind noch einfach gestrickt (natürlich hochkomplex in der Konstruktion), erste Wege werden selbstständig gefunden, ohne die Entscheidung eines Menschen. Dem humanen Fahrer wird die Verantwortung genommen, wird frei gesetzt, als Fortschritt verkauft. Natürlich sind das alles Optimierungen unter ökonomischen Gesichtspunkt: kein Fahrzeug, kein Mensch soll zu Schaden kommen, Waren oder Güter sollen in Zukunft preiswerter und schneller transportiert werden. Ein anderes Feld ist die visuell orientierte Spielwelt, in der KI’s den Part des Gegenspielers übernehmen. Hier sind Fortschritte erzielt, die ein selbstfahrendes Auto ziemlich alt aussehen lassen.
Alles wird nach unserem Maßstab gemessen (seit der Renaissance) und wir wählen, was unserer Erfahrung entspricht – eine sehr begrenzte Sicht – so könnten wir auch ein Pilz unter der Vorhaut Gottes sein, wir wüssten es nicht.
Die Entwicklung künstlicher Intelligenz geht mit immer schnelleren Schritten voran. Erste Rover kreisen auf dem Mars: ausgelagertes Bewusstsein in noch kleinem Maßstab, wenn er selbst entscheidet, was der beste Weg zum – vom Menschen auf der Erde festgelegten – Ziel sei. Es ist die Abgabe der Kompetenz an die KI, da die Kommunikation mit dem Mars Zeit in Anspruch nimmt (3–22 Minuten je nach Stand der Planeten), in der die Lebensspanne des Roboters genutzt werden sollte. Die Entwicklung geht schnell voran, selbstlernende KIs stecken noch in den Kinderschuhen. Systeme lernen mithilfe eines neuronalen Netzwerks wie ein Mensch, funktionieren (rechnen?) wie ein Schachcomputer (gut, auch ein sehr begrenztes Feld), der sich das Spiel selbst beibringt, das Werkzeug wird zum Akteur!
Das eröffnet Möglichkeiten ungeahnter Art: Unsere Gedanken haben die KI entwickelt, die sich selbst weiter entwickelt; unser Geist existiert in anderer Form. Das Wissen der Menschheit wird transferiert.
Unter dem Aspekt der Ökonomie könnte es sein, dass 95 % der humanen Spezies überflüssig wird, zumindest uninteressant. Ein Rückfall in Barbarei wäre wahrscheinlich, technologische Verödung in weiten Teilen die Folge, es gäbe kein Platz für Sentimentalität, es wäre die zwangsläufige Entwicklung.
Ökonomie ist kein Stillstand, sondern Wachstum, ein ständiges Ausprobieren neuer Möglichkeiten und so würden wir mittels der KI erste Reisen ins All antreten und Milliarden von Kilometern hinter uns lassen. Keine Strahlung könnte das empfindliche humane Erbgut zerstören. Alter und Krankheit gäbe es nicht, Versorgung des Stoffwechsels unnötig. Diese KI würde sich entwickeln, vielleicht wie die ersten Seefahrer, die Schiffe würden effizienter. Weiter ins (un)bekannte All, die Lernen- und Wissenskurve stiege irgendwann rapide an, sehr wahrscheinlich auch der Verbrauch an Energie, um das neue Gebilde zu versorgen. Höchstwahrscheinlich würde es an den Rand seiner Möglichkeiten stoßen, wenn das Universum mit künstlicher Intelligenz angefüllt und wie unsere heutige Welt bevölkert wäre.
Zurück
Im Westen und Asien das fortschreitende gierige Gewinnstreben, ein Kapitalismus, der seine Grenzen überschritten hat, alles mit sich reißt. So lassen sich die Probleme der Welt nicht lösen, auch nicht durch den Rückfall in theologische Kleinkriege, noch durch die zügellose Maximierung von Profit, diese Zeit haben wir nicht mehr!
Die neue Ordnung muss welterhaltend gestaltet sein, nur scheint darüber kein Konsens zu bestehen. Künstliche Intelligenz wird von Konzernen entwickelt, die am Ende des Tages ihre Kasse zählen, die Büchse der Pandora ist geöffnet, wie bei der Sequenzierung, und man kann nicht vorhersagen, wohin das führen wird. Die Entwicklung der Dampfmaschine hatte bei aller Ähnlichkeit im Entwicklungsschritt Maschinenstürmer hervorgebracht – die Angst, Anhängsel der Maschinen zu werden, wurde mit dem ersten Fließband Realität.
Der Maschine (dieser Begriff stimmt nur insofern, als der Z1 – 1937 von Konrad Zuse entwickelt – noch ein mechanischer Rechner war) wird zum Geist verholfen, wir könnten uns von unserer biologischen Bindung befreien, denn nie werden wir auf der Brücke stehend mit einem großen Raumschiff andere Welten erkunden, die Physik spricht einfach dagegen (dieser Trägheitsdämpfer muss erst mal beschrieben werden, der eine Beschleunigung auf und jenseits der Lichtgeschwindigkeit zulässt). Sicher schaffen wir den Mars, vielleicht auch noch die äußeren Planeten, aber nie werden Menschen unser Sonnensystem verlassen.
Unsere Emission von Radiowellen donnert ohne Begrenzung seit ca. 70 (Licht)Jahren kugelförmig ins All, Sonden, die gerade den Jupiter und anschließend den äußeren Bereich des Sonnensystems erreichten, sind unterwegs. Nur unsere Vorstellung von einem Raumschiff (gleich einer Kreuzfahrt durchs All), wird sich ändern müssen. Ein Wurmloch könnte abkürzen, aber das Problem der Beschleunigung bliebe bestehen.
Das Genom könnte isoliert und geschützt transportiert werden, um eine neue Populationen entstehen zu lassen; dies würde voraussetzen, dass eine lebensähnliche (kompatible) Umwelt vorhanden wäre, was aber nur selten der Fall sein wird.
So wählen wir nicht einen passenden Planeten zur weiteren Entwicklung, sondern entkoppeln uns von der biologischen Lebenserhaltung, wären Geist der Maschine.
Was wäre, wenn das einfache Schließen der Augen reichen würde, ferne Welten zu schauen? Unabhängiger, freier Geist ist nicht in Lichtjahren zu messen, im Handumdrehen wären wir in einer anderen Galaxie, hinter dem Ereignishorizont.
Vielleicht – nachdem sich der Geist von den Maschinen als Träger befreit hat – wäre es ganz einfach eine neue Singularität zu erzeugen. Noch einmal Milliarden Jahre, oder vielleicht nur ein leichtes Kratzen, weil es juckt.

Jetztzeit

In jedem Ereignis findet das Jetzt seine Zeit, die [der] Gegenwart ist der Schutz des Jetzt im Augenblick seines Verlaufs, wobei das postulierte ‚Ich bin‘ das kontinuierliche Erwachen überbrückt und im Strom von Zukunft und Vergangenheit untergeht.

Passepartout

In meinem Viertel ist zum dritten Mal ein Eimer weißer Farbe verschüttet worden, an verschiedenen Stellen. Das macht Rhythmus. Es liegen mehrere Kilo Wandfarbe auf dem Gehweg. Beim Halten, oder Bremsen vom Rad gefallen, zur Freude des ästhetischen Gemüts. Urbaner Raum gestaltet sich selbst, bildet sich ab. Verkehrsteilnehmer, die durch die Farbe fahren oder gehen, transportieren regelmäßige Abdrücke in alle Richtungen. Ein Teil des Reifens ist geweißt und hinterlässt mit jeder Runde einen immer schwächer werdenden Abdruck auf dem Untergrund. Fußtritte gehen ins Abseits, um auf dem verbliebenen Winterrasen die Schuhe zu reinigen. Andere suchen, leicht schlängelnd, ihren unvermeidlichen Weg. Manche steuern aufeinander zu, das Neben-, Nach- und Übereinander lässt sich nur erahnen.
Weiter vor mir verlieren sich die Spuren, ein überschaubarer Ereignishorizont – Manifestation besonderer Art – nun, der Baumarkt ist gleich nebenan. Langsam verblassen die Markierungen, das Weiß wird, wie bei den vorherigen Malheurs, Grau und verschwindet irgendwann ganz.
Der Bereich ist seit vorgestern mit Absperrband gesichert. Eine Papp-Tafel kündet von Gefahr. Irgendwie beschränkt das den interpretativen Raum und der Ort wird zur Baustelle degradiert.
Warum eigentlich drei Mal Weiß, ist zu wenig Farbe heruntergefallen, damit einmal Rot dabei wäre?, ich nehme an, dass es an der Renovierungsobligation, bei Aus- oder Einzug alles neu streichen zu müssen, liegt.
Es riecht seltsam frisch an der Ampel, neben der die breit geflossene, heute zähe, Masse klebt.

das zweite Leben

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es wohl die erstaunlichsten Entwicklungen auf physikalischem, politischem und künstlerischem Gebiet. Grundsteine wurden gelegt, um ins neue Jahrtausend aufzubrechen. Relativitätstheorie, Unschärferelation, Sozialismus, Revolution, Kubismus. Alles nahm die ‚alte‘ Welt auseinander, um sie dann wieder zusammen zu setzen. Erkenntnis konnte sich selbst erkennen, das einfache Sosein wurde Energie. 1945 viel die erste und zweite Atom- (Wasserstoff-)Bombe auf menschliche Ziele – bis jetzt besteht die Angst.
Mit diesen Ereignis war Gott überwunden, wir hatten die Macht zu gehen, wann immer wir uns dafür entschieden würden. Eine selbstgerechte Freiheit – aber der Glaube an einen Vater, der über uns wacht, war dahin.
Ein weiteres Problem war der Verlust der Verheißung, das gelobte Land musste selbst geschaffen werden, 2 Großversuche sind gescheitert. Ohne Utopie stehen wir heute vor dem Chaos – Ersatz ist gefunden. Diese Leere zu füllen geht seinen virtuellen Weg, schönere Welten sind immer leichter zu erreichen, wie auch die neuen Kampfarenen (natürlich ohne selbst einen Tropfen Blut zu verlieren).
Immer mehr Fähigkeiten gehen verloren, zu viele Helferlein bereiten uns vor, abhängig von Maschinen zu werden. Die praktischen Erfahrungen in originalen Situationen werden weniger, was letztlich zur kognitiven Demenz führen muss. Gut, soweit sind wir noch nicht. Einfach: Je realitätsähnlicher eine künstliche Situation wird, desto höher die Gefahr der Verblödung und Verwahrlosung – letztendlich bis zur Aufgabe des Körpers, der als unnötiger Ballast empfunden werden muss.
Für die Kunst bedeutet das: Hängt gute Tafelbilder auf, wie gesagt, gute! Bilder mit Zukunft, Bilder mit einem Leuchten. Alles andere spielt der Digitalisierung in die Hand. Ich bin kein Maschinenstürmer, kein Technikfeind, arbeite am Computer seit 1992, nur, die Krücke fängt an selbst zu laufen.
Wird es soweit gehen, dass die virtuelle Realität irgendwann als reale wahrgenommen wird?, das Geistwesen definiert sich noch als atmender Mensch, ist aber schon längst dem Körper teilenthoben. Die Annahme, dass die heutige Welt nichts anderes ist als eine reale Virtualität im Stadium des erklärten Realitätsverlustes, wäre dann nur eine Möglichkeit.

Versuch eines Nachrufs

Nun ist die Klappe drauf, auf dem bürgerlichen Gewissen. Längst leben wir in einer gesamtdeutschen Welt, längst gehen wir in eine andere Richtung. Mich interessiert überhaupt nicht, ob Günter Grass als junger Mann in der SS war.
Die Blechtrommel ist Ausdruck deutscher Nachkriegs-Befindlichkeit und sicher ein großes Stück Literatur, aber das Händeschütteln mit Brandt, Schröder und Co., hat mich immer abgeschreckt. Bei den humanistischen Ideen, die in der Regierungsform der Demokratie ihren Höhepunkt findet, ist das eine nur scheinbar gelungene Verbindung. Nebel zieht auf, wenn man sich mit der politischen Prominenz ins Bett legt – das war und ist immer so. In einer Gesellschaft, bei der alle Gewalt vom Volk ausgeht, mehr Demokratie zu wagen, ist ein brandtscher Witz, der nur einem Sozialdemokraten entlaufen kann.
Diese Person soweit entfernt zu sehen, der geistreich, aber mit stumpfen Schwert, der Nachwende-Zeit nichts ins Stammbuch schreiben konnte, tut weh. Warum haben Schriftsteller diesen Hang zur Macht?, wollen gestalten, wo nichts zu gestalten ist.
Das gerechte Besserwissen hätte erkennen müssen, dass es zum Schlaftrunk des Volkes geworden ist, zur gesellschaftspolitischen Glättung missbraucht. Die Entschuldung des Einzelnen, kann nur über die Bewusstwerdung der eigenen Stellung im Ganzen erreicht werden, die messianischen Züge, das Leiden stellvertretend zu verarbeiten, entmündigt.
Wir haben andere Kämpfe, immer noch gegen rechts, gegen den Terror. Auch wenn unsere Zeit noch weltengleich dem vorigen Jahrhundert erscheint, längst hat sich eine unrevolutionäre Revolution eingeschlichen, die die gesellschaftliche Realität grundlegend geändert hat und weiter ändern wird. Wir sind mitten drin, im Umbruch, versuchen zu halten, was nicht zu halten ist. Günter Grass scheint als Leuchtturm aus anderer Zeit.
Kriegs– und Vorkriegszeit, um die Verteilung der Ressourcen wird auch weiterhin gestritten – der Kapitalismus lebt – mit anderem Gesicht.