Archiv für den Monat: August 2015

Dunkle Paradiese

… eine meiner Ausstellungen hatte ich ‚Dunkle Paradiese‘ genannt und Kritik dafür geerntet. Heute wird mir klar, wie richtig dieser Titel war: Wir sind nicht vertrieben, nur unser Blick ist verstellt. Daraus ergeben sich Handlungen, die eher an die Hölle gemahnen, als an einen möglichen Alltag – was ist geschehen?
Wir mussten der monistischen Welt entsagen, wollten Erfahrungen sammeln, Grenzen überschreiten, um das Gebot der Freiheit zu erobern. Ein neuer Standort war notwendig für die erste Definition des Selbst als ICH: das Andere / den Anderen als Widerstand wahrzunehmen. Wo ich bin, kannst Du nicht sein. Hier wurde die Sehnsucht – aber auch der Verrat – geboren.
Es ist wohl ein Märchen, die Rastlosigkeit zu verstehen, denn Verstand ist von vornherein rational, unser tierisches Erbe hält die Balance. Ein Hund kann wohl zwischen seins und nicht seins unterscheiden, aber nicht zwischen seinem Selbst und dem Ganzen. Der Hund ist das Ganze, wenn er stirbt, stirbt ein Universum. Kein Tier konnte sich je seinem Selbst entheben (die Voraussetzung zur Entwicklung von Ideen), kein Tier hat je ein anderes beerdigt.
Auch heute noch stehen wir mit einem Bein im Paradies, nur liegt der Schleier unserer Abstraktion darüber, Kain wird immer noch erschlagen, ganze Länder überschwemmt, Menschen vertrieben. Aber ohne diesen Schleier gäbe es keine Entwicklung, wären die Zeichen auf dem feinen Tuch nicht lesbar, triebe die Zeit nicht ihrem Ende entgegen.
Der Apfel war der Preis.

das zweite Leben

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es wohl die erstaunlichsten Entwicklungen auf physikalischem, politischem und künstlerischem Gebiet. Grundsteine wurden gelegt, um ins neue Jahrtausend aufzubrechen. Relativitätstheorie, Unschärferelation, Sozialismus, Revolution, Kubismus. Alles nahm die ‚alte‘ Welt auseinander, um sie dann wieder zusammen zu setzen. Erkenntnis konnte sich selbst erkennen, das einfache Sosein wurde Energie. 1945 viel die erste und zweite Atom- (Wasserstoff-)Bombe auf menschliche Ziele – bis jetzt besteht die Angst.
Mit diesen Ereignis war Gott überwunden, wir hatten die Macht zu gehen, wann immer wir uns dafür entschieden würden. Eine selbstgerechte Freiheit – aber der Glaube an einen Vater, der über uns wacht, war dahin.
Ein weiteres Problem war der Verlust der Verheißung, das gelobte Land musste selbst geschaffen werden, 2 Großversuche sind gescheitert. Ohne Utopie stehen wir heute vor dem Chaos – Ersatz ist gefunden. Diese Leere zu füllen geht seinen virtuellen Weg, schönere Welten sind immer leichter zu erreichen, wie auch die neuen Kampfarenen (natürlich ohne selbst einen Tropfen Blut zu verlieren).
Immer mehr Fähigkeiten gehen verloren, zu viele Helferlein bereiten uns vor, abhängig von Maschinen zu werden. Die praktischen Erfahrungen in originalen Situationen werden weniger, was letztlich zur kognitiven Demenz führen muss. Gut, soweit sind wir noch nicht. Einfach: Je realitätsähnlicher eine künstliche Situation wird, desto höher die Gefahr der Verblödung und Verwahrlosung – letztendlich bis zur Aufgabe des Körpers, der als unnötiger Ballast empfunden werden muss.
Für die Kunst bedeutet das: Hängt gute Tafelbilder auf, wie gesagt, gute! Bilder mit Zukunft, Bilder mit einem Leuchten. Alles andere spielt der Digitalisierung in die Hand. Ich bin kein Maschinenstürmer, kein Technikfeind, arbeite am Computer seit 1992, nur, die Krücke fängt an selbst zu laufen.
Wird es soweit gehen, dass die virtuelle Realität irgendwann als reale wahrgenommen wird?, das Geistwesen definiert sich noch als atmender Mensch, ist aber schon längst dem Körper teilenthoben. Die Annahme, dass die heutige Welt nichts anderes ist als eine reale Virtualität im Stadium des erklärten Realitätsverlustes, wäre dann nur eine Möglichkeit.